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Die Anglisierung der deutschen Sprache schreitet unaufhaltsam voran. Zwar wurden schon immer Wörter aus dem Englischen entlehnt, jedoch nie in so großer Zahl wie aktuell. Ganz unabhängig von einer stilistischen oder ästhetischen Beurteilung dieser Entwicklung gehen damit orthographisch-grammatische Schwierigkeiten einher – insbesondere bei sogenannten Komposita (Zusammensetzungen).
Generell gibt es zwei Möglichkeiten, mit fremdsprachigen Wörtern und Wendungen (auch nichtenglischen) umzugehen: Entweder man übernimmt die Ursprungsschreibung oder man versucht sie an die Regeln der deutschen Orthographie anzupassen – was nicht immer einfach ist.
Sehen wir uns beide Möglichkeiten an:
Diese Variante ist die einfachere, weil man mit ihr einen fremdsprachigen Ausdruck gewissermaßen zitiert, das heißt ohne Änderungen übernimmt. Hier ergibt sich höchstens das Problem, dass allfällige Sonderzeichen der betreffenden Fremdsprache im Textverarbeitungsprogramm gesucht werden müssen. Drei Beispiele:
Man spricht hierbei von hybrid working.
Das Schlagwort der souveraineté numérique beschreibt den Sachverhalt treffend.
Diese Kennzahlen werden als key performance indicators bezeichnet.
Allerdings ist diese Variante wenig lesefreundlich. Es fehlt ein optisches Signal, das die Fremdwörter als solche kennzeichnet und vom Rest des Textes abhebt. Deswegen werden unveränderte Übernahmen aus einer Fremdsprache meist ausgezeichnet, also kursiv oder in Anführungszeichen gesetzt. Möglich ist auch die sogenannte Sperrung.
Man spricht hierbei von hybrid working.
Das Schlagwort „souveraineté numérique“ beschreibt den Sachverhalt treffend.
Diese Kennzahlen werden als k e y p e r f o r m a n c e i n d i c a t o r s bezeichnet.
Solche Hervorhebungen eignen sich bestens für sporadische Fremdwörter. Wenn hingegen große Teile des Textes aus Fremdwörtern bestehen oder einzelne fremdsprachige Begriffe sehr häufig vorkommen, ist von der Hervorhebung abzuraten. Sie macht das Schriftbild unruhig und wirkt auf Lesende verwirrend. Auch geraten unterschiedliche Arten der Schriftauszeichnung häufig in Konflikt. Zudem ist es schon beim Schreiben sehr umständlich, Wörter ständig kursiv oder in Anführungszeichen zu setzen.
In mit Fremdwörtern überfrachteten Texten lohnt es sich also, eine Angleichung an die deutsche Orthographie vorzunehmen, um auf eine Hervorhebung verzichten zu können.
Aber wie gleicht man Fremdwörter an die deutsche Rechtschreibung an?
Eigentlich ist das Prinzip der Angleichung ganz einfach. Es geht nämlich davon aus, dass Fremdwörter orthographisch so behandelt werden wie ihre deutschen Entsprechungen. Das wird anhand von Fremdwörtern deutlich, die gar nicht mehr als solche empfunden werden.
Aus dem einstigen englischen Fremdwort computer wurde durch die Angleichung an die deutsche Großschreibung von Substantiven das Wort Computer, das mittlerweile fester Bestandteil unseres Wortschatzes ist.
Ebenso können alle aus dem Englischen stammenden Substantive behandelt werden (in Klammern Belege aus dem Internet):
der Fame („Was, wenn Influencer*innen der Fame zu viel wird?“)
die History („So löschst du Zeilen aus der History der Bash.“)
das Window („Das Window öffnet sich automatisch beim Start.“)
Beim Geschlecht gibt es eine Tendenz, dasjenige der (gängigsten) deutschen Übersetzung zu wählen (der Ruhm, die Geschichte, das Fenster).
Bei substantivisch gebrauchten Ausdrücken, die aus mehreren Wörtern bestehen, gilt die Großschreibung für alle substantivischen Bestandteile:
der Point of Sale
die Factory of the Future
das Training on the Job
Adjektive werden allerdings ebenfalls großgeschrieben, wenn sie am Beginn des substantivischen Ausdrucks stehen, denn dieser wird als Einheit aufgefasst und muss demgemäß mit einem Großbuchstaben beginnen:
der Wireless Router
die Happy Hour
das Mobile Office
Den größten Anteil an den fremdsprachigen Begriffen dürften jedoch die sogenannten Komposita (Zusammensetzungen) ausmachen. Sie bestehen, wie deutsche Zusammensetzungen auch, aus einem substantivischen Grundwort und einem oder mehreren (meist ebenfalls substantivischen) Bestimmungswörtern.
Grundsätzlich gilt, dass zusammengeschrieben wird:
der Apfel + der Baum = der Apfelbaum
das Marketing + die Abteilung = die Marketingabteilung
das Eisen + die Bahn + der Verkehr = der Eisenbahnverkehr
Zur besseren Lesbarkeit kann ein Bindestrich gesetzt werden:
der Flughafenrestaurant-Außenbereich
Genauso gehen wir vor, wenn beide Bestandteile der Zusammensetzung englisch sind:
der Pageturner
die Firewall
das Changemanagement
Bei Fremdwörtern gibt es aber (eher als bei deutschen Zusammensetzungen) die Tendenz zum Bindestrich – der besseren Lesbarkeit halber:
Science-Fiction statt Sciencefiction
Desktop-Publishing statt Desktoppublishing
Das gilt insbesondere bei längeren Zusammensetzungen:
Science-Fiction-Podcast, nicht: Sciencefictionpodcast
Customer-Relationship-Management, nicht: Customerrelationshipmanagement
Kommen wir abschließend zu einigen Sonderfällen, die auch versierten Fremdwortakrobaten Kopfzerbrechen bereiten dürften.
Abweichend von der obigen Regel können einige englischsprachige Bildungen bestehend aus Adjektiv + Substantiv auch zusammengeschrieben werden. Voraussetzung dafür ist laut § 37 E4 der amtlichen deutschen Rechtschreibung, dass „der Hauptakzent auf dem ersten Bestandteil liegt“. Als Beispiele werden genannt:
Hotdog (statt Hot Dog)
Softdrink (statt Soft Drink)
Im Duden finden sich z.B.:
Smalltalk (neben Small Talk)
Fastfood (neben Fast Food)
Allerdings scheint der Duden diese Regel recht selektiv auszulegen. So findet sich dort zwar „Smarthome“ neben „Smart Home“ und „Freeflow“ neben „Free Flow“, aber ausschließlich „Smartphone“ und „Free Jazz“.
Noch komplizierter wird es bei englischen Bildungen, deren Erstglied eine partizipiale Zusammensetzung ist. Der Rechtschreibrat liefert hierzu m.W. noch keine Beispiele, also ist der Duden – vermutlich in Anlehnung an § 44 der amtlichen Rechtschreibregeln (er verrät es uns leider nicht) – einfach schon mal vorgeprescht und schlägt vor:
Location-based Services
Der Bestandteil „Location-based“ ist grammatisch gesehen ein Partizip und daher orthografisch wie ein Adjektiv zu behandeln. Er entspricht dem „Happy“ in „Happy Hour“, weshalb hier kein Bindestrich folgt.
Analog dürfte es heißen:
Computer-aided Design
Fan-assisted Oven
Knowledge-based Systems
Man könnte natürlich auch sagen „standortbezogene Dienste“, „computerunterstütztes Design“, „Umluftofen“ oder „wissensbasierte Systeme“. Aber wie Ockham schon sagte: Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?
Wie wir schon gelernt haben, wird in der Regel kein Bindestrich gesetzt, wenn der Erstbestandteil der Bildung ein Adjektiv ist („Happy Hour“). Dasselbe gilt, wenn die ersten beiden Bestandteile Adjektive sind:
Corporate Social Responsibility
Aber was passiert, wenn die Kombination Adjektiv + Substantiv + Substantiv lautet?
Dann wird durchgekoppelt, so wie wir es bei einer gewöhnlichen deutschen Zusammensetzung auch tun würden. Wer „Digital Rights“ managt, der ist ein „Digital-Rights-Manager“, und wer in den „Social Media“ influenct, der ist ein „Social-Media-Influencer“. Analog heißt es:
Social-Media-Marketing
New-World-Economy
Global-Banking-Crisis
So weit, so gut. Die oben genannten Regeln stellen einen legitimen und zumindest einigermaßen konsistenten Versuch dar, die zunehmende Anglizismenschwemme im Deutschen orthografisch in den Griff zu bekommen.
Aber werden sie auch beachtet?
Eher nicht.
Als Beispiel mag eine aktuelle Springer-Publikation dienen. Hier finden sich:
Marketing Automation, Customer Journey, Social Media Analytics, Opinion Mining, Influencer Marketing, Brand Community und Landing Page
direkt neben:
Website-Marketing, Online-Marketing-Intelligence, Sales-Funnel, Data-Mining, Community-Roundtable und Private Chat-Nachrichten
Einerseits ist dieses orthographische Chaos durchaus verständlich. Wie soll jemand, der sich nicht gerade beruflich mit den Finessen der deutschen Rechtschreibung auseinandersetzt, da den Durchblick behalten?
Andererseits sollten wir grundlegende rechtschreibliche Prinzipien des Deutschen nicht allzu leichtfertig über Bord werfen. Immerhin hat es Jahrhunderte gedauert, das Tohuwabohu einigermaßen zu ordnen.
Und wenn wir das „Online Marketing“, den „Social Media Influencer“ und das „Customer Relationship Management“ so stehen lassen, dann kaufen wir wahrscheinlich auch bald unseren „Frucht Saft“ und unseren „Frisch Käse“ im „Super Markt“ um die Ecke.
CONCISUM
Wissenschaftliches Lektorat
Timo Ruetz M. A.
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