Lektorat Concisum

Reflexive Verben und das Passiv

Transitiv und reflexiv

Verben, die ein Akkusativobjekt (Frage: wen oder was?) haben können, bezeichnet man als transitiv (von lat. transire = übergehen), weil die Handlung des Subjekts auf das Objekt „übergeht“. Ein Beispiel ist „waschen“:

Ich wasche [wen oder was?] die Wäsche.

Alle transitiven Verben können sich aber – zumindest theoretisch – auch auf das Subjekt zurückbeziehen. Man spricht dann von einem reflexiven Gebrauch (von lat. reflecto = zurückwenden).

Ich wasche [wen oder was?] mich.

An die Stelle des Akkusativobjekts (die Wäsche) tritt dann ein sogenanntes Reflexivpronomen (mich).

Allerdings gibt es auch Verben, die ausschließlich mit einem Reflexivpronomen vorkommen – ein transitiver Gebrauch ist dann nicht üblich bzw. ergibt keinen Sinn. Ein Beispiel ist „sich freuen“.

Ich freue mich. (reflexiv, sinnvoll)

Ich freue meinen Bruder. (transitiv, nicht sinnvoll)

Passiver Gebrauch

Prinzipiell kann zu allen transitiven Verben ein Passiv gebildet werden – auch wenn sie reflexiv verwendet sind. Das Akkusativobjekt der aktiven Aussage wird dabei zum Subjekt der passiven.

Ich wasche die Wäsche. (aktiv)

Die Wäsche wird (von mir) gewaschen. (passiv)

Ich wasche mich. (aktiv)

Ich werde (von mir) gewaschen. (passiv)

Im zweiten Beispiel bleibt das Subjekt dasselbe, weil bei der reflexiven Handlung Subjekt und Objekt identisch sind.

Bei den echt reflexiven Verben ist der ursprünglich transitive Sinn jedoch meist so stark verblasst, dass er nicht mehr als solcher empfunden wird. 

Das gilt z.B. für die in wissenschaftlichen Arbeiten häufig verwendeten Verben „sich auseinandersetzen mit“, „sich beschäftigen mit“, „sich befassen mit“, „sich beziehen auf“, „sich fokussieren auf“ usw.

Da Ich-Formulierungen („Ich beschäftige mich mit …“) und Anthropomorphismen („Die Arbeit beschäftigt sich mit …“) im akademischen Kontext oft unerwünscht sind, geraten viele Verfasser/-innen in Verlegenheit und weichen kurzerhand auf eine (vermeintlich wissenschaftlichere) Passivformulierung aus.

Damit erweisen sie sich allerdings einen Bärendienst, denn solche Formulierungen sind grammatisch schlicht falsch: Da es in der Passivkonstruktion kein Subjekt gibt (höchstens das unpersönliche „es“), gibt es nichts, worauf sich das Reflexivpronomen zurückbeziehen könnte.

Als umgangssprachlich-salopper Appell („Jetzt wird aufgestanden und sich angezogen!“) mag diese Ausdrucksweise durchgehen, in einem akademischen Text hat sie allerdings nichts zu suchen.